Nah – näher – am nähesten
- Welches Thema liegt hier am nähesten?
- Wir benötigen Freiwillige … Sie sind die nächsten!
- Als nächstes folgen mehrere Erläuterungen.
Nah – näher – am nächsten
- Welches Thema liegt hier am nächsten?
- Wir benötigen Freiwillige … Sie sind die Nächsten!
- Als Nächstes folgen mehrere Erläuterungen.
Wie lässt sich „nah“ steigern?
Neulich wurde in einer Quizshow bei Pro Sieben die Frage gestellt, wie sich das Adjektiv nah steigern lasse. Über die erste Steigerungsform (den Komparativ) näher waren sich die Teilnehmenden noch einig; doch über die zweite Steigerung (den Superlativ) wurde gestritten, da zwei Möglichkeiten gleich oft genannt wurden: am nächsten und am nähesten.
Doch welche Adjektivform stimmt? Diese unscheinbar wirkende Grammatikfrage soll uns nun auch in diesem Artikel beschäftigen, denn den korrekten Superlativ verwenden wir vom Gefühl her öfter als die beiden anderen Steigerungsformen.
- Nah – näher – am nächsten
- Nah – näher – am nähesten
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Warum ist „am nähesten“ nicht korrekt?
Nah und nahe sind bedeutungsgleich. Sie können grob drei Bedeutungen haben.
- (örtlich) nicht weit entfernt, nicht weit weg
- (zeitlich) nicht weit in der Zukunft, bald
- (metaphorisch) eng, vertraut
Eine Antwort ist schon sehr nah an der Musterlösung.
Sie wird in naher Zukunft nicht mehr an der Show teilnehmen.
Gehören Sie zum näheren Verwandtenkreis?
Fast alle Adjektive lassen sich steigern, damit wir zwei sprachliche Einheiten miteinander vergleichen können. Dabei folgen die meisten folgender Formel:
Positiv (Grundform): froh | stark
Komparativ (1. Steigerung): froher | stärker
Superlativ (2. Steigerung): am frohsten | am stärksten
Wenn wir also froher oder stärker als jemand anders sind, empfinden wir mehr Freude oder besitzen mehr Kraft. Aber wir sind nicht unbedingt am frohsten oder am stärksten von allen.
Froh wird regelmäßig gesteigert, stark mit einem Vokalwechsel. Nah zählt jedoch zu den vollkommen unregelmäßigen Adjektiven, denn neben dem Vokalwechsel zu „ä“ ist im Superlativ auch ein „c“ nötig. Daher sind folgende Beispiele standardsprachlich nicht korrekt:
Welcher Geldautomat istam nähestengelegen?
Er ist von unsam nähestenan der Sechzig.
Sie gehören jetzt nicht unbedingt zu dennähestenVerwandten.
In all diesen Beispielen wäre die Form nächsten richtig. Zwar kann es dialektal zu den Formen „nahesten“ und „nähesten“ kommen, aber das gilt als nicht standardsprachlich.
Nah/nahe entstand im 9. Jahrhundert im Althochdeutschen als „nāh“. Im Mittelhochdeutschen entwickelte es sich dann zu „nāch“, worauf der unregelmäßige Superlativ zurückzuführen ist.
Außerdem entstand daraus die Präposition (das Verhältniswort) nach. Gleichzeitig hielten die verwandten Begriffe Nähe und sich nähern Einzug in den mittelhochdeutschen Wortschatz. Im weiteren Verlauf bildete das Adjektiv dann die Grundlage für Wörter wie nahezu oder beinahe.
Warum ist „am nächsten“ richtig?
Aber wieso kommt uns das Wort nächsten so bekannt vor? Wir denken nicht direkt an eine unregelmäßige Steigerungsform, sondern an ein Adjektiv, welches vielfach nominalisiert (also großgeschrieben) wird.
- als Nächstes
- als Nächster/Nächste/Nächsten
- der/die/das Nächste oder die Nächsten
Wichtig hierbei ist, zu unterscheiden, ob wirklich eine Nominalisierung vorliegt. Folgt ein Nomen als Bezugswort, schreiben wir nächst (-e, -er, -es, -en, -em) klein. Vergleichen wir:
Was ist als Nächstes dran?
Was hast du dir als nächstes Geschenk herausgesucht?
Wer ist als Nächster / als Nächste dran?
Wer wird als nächster Kandidat / als nächste Kandidatin bestimmt?
Das ist das Nächste: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.
Das ist das nächste Gebot: Du sollst Deine nächsten Personen lieben wie Dich selbst.
Streng genommen sprechen wir in all diesen Fällen von den Menschen oder Dingen, die unmittelbar folgen – zeitlich, physisch oder bildlich gesprochen.
Allerdings hat sich die Steigerungsform Nächste dermaßen eingebürgert, dass sie jeweils einen eigenen Eintrag in Wörterbüchern wie dem Duden, dem DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) und Wiktionary hat. Hier finden wir noch viel mehr Beispiele und Anwendungsbereiche:
- Zeitangaben: nächste Woche, am nächsten Tag, nächsten Dienstag, nächstes Jahr
- Reihenfolgen: im nächsten Kapitel, als nächsten Schritt, an der nächsten Ecke
- Abstufungen: das Nächstbeste, bei der nächsten Gelegenheit
Wussten Sie …
… dass bis zur Rechtschreibreform 1996 als nächstes noch kleingeschrieben werden musste? Seitdem erst gilt die Großschreibung des Superlativs von nahe als korrekt. Ebenso wurden die Nominalisierungen der nächste / die nächste bis 1996 kleingeschrieben, was im Zuge der Reform geändert wurde.
Eine weitere Erklärung, wieso uns die Steigerungsform in diesen Formulierungen so bekannt vorkommt, wir sie aber nicht in Verbindung mit nah bringen, ist die Vielzahl an möglichen Bedeutungen. Verglichen mit anderen Sprachen muss nächsten zwei Bedeutungen erfüllen, für die es im Englischen, Spanischen oder Französischen zwei verschiedene Adjektive gibt.
Der nächste Patient, bitte!
Sie waren am nächsten dran.
The next patient, please! | You were the nearest person there. |
Le patient suivant, s’il vous plaît ! | Vous étiez le plus proche. |
¡Siguiente paciente, por favor! | Usted fue el más cercano. |
Wir können also sehen, dass im ersten Anwendungsbeispiel ein ganz anderes Adjektiv in dessen Grundform genutzt wird, während alle Beispielsprachen im zweiten Satz auf einen Superlativ zurückgreifen.
Übrigens gibt es diesen Blog in all diesen Sprachen. LanguageTool, mit dem ich den Artikel geschrieben habe, bietet sogar über 30 Sprachen für seine umfassenden Korrekturen an. Dabei werden grammatikalische Fehler ebenso gefunden wie jene der Rechtschreibung und Wortwahl. Das nächste Tool, auf das ich nicht mehr verzichten möchte!
Mal sehen, was für eine „harmlose“ Grammatikfrage uns die Quizshows im Fernsehen als Nächstes bescheren.
Faustregeln
Am nähestenist falsch, der Superlativ von nah ist am nächsten.- Die genaue Bedeutung spielt bei der Adjektivsteigerung keine Rolle. In Kombination mit der/die/das oder als wird Nächst(-e, -er, -en, -es) als Nominalisierung großgeschrieben.