Dieser Artikel zum Euphemismus benötigt keine weitere Beschönigung

Was ist ein Euphemismus?

Gibt es Themen, über die Sie nicht gerne sprechen? Bei den allermeisten werden negativ konnotierte Begriffe wie Krankheit, Tod, Elend und Armut unangenehme Gefühle auslösen; bei anderen mag das Thema Sexualität noch immer ein Tabu sein.

Doch dafür gibt es in der Rhetorik ein Gegenmittel: den Euphemismus.

Um Begriffe, die mit gewissen Emotionen und Bildern verbunden sind, nicht beim Namen zu nennen, können beschönigende und neutrale Wörter an deren Stelle verwendet werden. Dadurch lässt sich die vermeintliche Peinlichkeit umgehen. Dieser Artikel widmet sich dem Aufbau und der Wirkung des literarischen Stilmittels.

Als die Raumpflegerin mit dem stillen Örtchen fertig war, kehrte sie in ihre Wohnung im sozialen Brennpunkt zurück.

Wie bilde ich Euphemismen?

Der Name Euphemismus kommt aus dem Griechischen, wo „εὐφημία“ („euphēmía“) „Worte von guter Vorbedeutung“ heißt. Der Name verrät es schon, ein euphemistischer Ausdruck ist also eine Beschönigung, die das Gemeinte entweder aufwerten oder verhüllen soll. Die Figur der Rhetorik ist auch als „Hehlwort“, „Verbrämung“ oder „Glimpfwort“ bekannt.

Da sich ein Euphemismus daraus ergibt, welche Bedeutung eine Aussage ursprünglich hat, zählt er zu den sogenannten Tropen. Außerdem gibt es nicht nur eine einzige Möglichkeit, das Stilmittel zu bilden. Vereinfacht können wir aber folgende sprachliche Muster erkennen:

1. Umschreibungen/Paraphrasen lassen zu, das zweifelhafte Wort auszusparen, ohne dass eine Sinnlücke entsteht. (Mensch mit Migrationshintergrund statt „Migrant“)
2. Mit Abkürzungen wird das problematische Wort oder die umstrittene Phrase vermieden. (BH statt „Büstenhalter“)
3. Der Einsatz von fachsprachlichen Ausdrücken oder Übersetzungen stellt sicher, dass ein tabuisiertes Wort (zunächst) neutraler wirkt. (Facility-Manager statt „Hausmeister“)

In manchen Bereichen lassen sich eine hohe Zahl von Euphemismen finden.

Statt auf sprachliche Konstruktionen zu achten, geben uns eher der Anlass und der Kontext Aufschluss darüber, ob ein Euphemismus verwendet wird.

Welchen Effekt hat ein Euphemismus?

Jedes Wort hat neben seiner Denotation (Grundbedeutung) eine oder mehrere Konnotationen – also Kontextualisierungen, die zwischen den Zeilen zu lesen sind. Euphemismen können helfen, diese negativen Konnotationen zu umgehen und das Besagte zu beschönigen.

Er drückte sie auf das Bett /, sodass sie laut schrie.
(„Nibelungenlied“, Wolfger von Erla)

Ach … Scheibenkleister, das ist schon wieder falsch.

Euphemismen werten allerdings auch auf. Durch einen anderen Begriff kann etwas oder eine Personengruppe mehr Wertschätzung erfahren. Außerdem können so wiederum negativ behaftete Stigmata (Zuschreibungen) umgangen werden.

Durch Umschreibungen wird ein anderer Weg gefunden, über einen bestimmten Ausdruck zu reden, ohne diesen konkret auszusprechen.

Plant Manager – Werksleitung

Director of First Impression – Rezeptionist:in

Friseurin und Masseurin – Friseuse und Masseuse

Speziell das dritte Beispiel zeigt, wie beleidigend die ursprünglichen Bezeichnungen sein können. Hier ist der Euphemismus der neue Standardname des Berufes.

Eine dritte Wirkung des Euphemismus ist die Vertuschung. Insbesondere in der Politik spielt die Rhetorik eine große Rolle. Unbequeme Wahrheiten können so alternativ bezeichnet und dadurch abgemildert werden, da die Umschreibungen gefälliger klingen und eventuell nicht für alle durchschaubar sind.

Preisangleichungen oder Beitragsangleichungen – Verteuerung

Rückführung/Umsiedlung – Abschiebung

Ankerzentrum – Unterkunft für Asylsuchende

Darüber hinaus nutzen totalitäre Regime euphemistische Bezeichnungen als Rechtfertigung ihrer Propaganda oder politischen Leitsätze.

Euthanasie – Vernichtung von religiösen/gesellschaftlichen Minderheiten

Friedensmission – Kriegseinsatz

Kollateralschäden in militärischen Konflikten – Sterben der Zivilbevölkerung im Krieg

Insgesamt soll immer von der nackten Wahrheit abgelenkt werden. Sei es nun aus guten oder bösen Absichten.

Ein Experte des Umschreibens ist LanguageTool. Das kostenlose Onlinetool bietet Korrekturen, Stilvorschläge und Umformulierungen in mehreren Sprachen. Auf der Suche nach euphemistischen Alternativen in Ihren Texten hilft zudem auch die Synonymfunktion durch Doppelklick auf ein beliebiges Wort.

Euphemismus: Beispiel in Bezug auf politische Korrektheit

Seit geraumer Zeit spielen Euphemismen auch fernab von politischen Reden, Werbung und der klassischen Literatur eine zunehmende Rolle. Das Stichwort politisch korrekt wurde im Zuge der gesellschaftlichen Diskussion bezüglich Minderheiten zusehends relevanter. Bei Bevölkerungsgruppen, speziell deren Bezeichnungen, entscheidet der tatsächliche Gebrauch, ob ein neutraler Begriff verwendet wird oder nicht.

Ein anschauliches Beispiel hierzu sind die Adjektive (Eigenschaftswörter) dick und fett. Um von Personen zu sprechen, deren Gewicht nicht der gesundheitlichen Norm entspricht, wurde übergewichtig eingeführt, da dick und fett inzwischen als beleidigend empfunden wurden. Heutzutage geht übergewichtig ebenso mit negativen Vorurteilen einher, sodass vielerorts die Bezeichnung mehrgewichtig verwendet wird.

Linguistisch sprechen wir hier von der Euphemismus-Tretmühle, also dem Suchen eines alternativen Begriffs, der im Laufe der Zeit die Rolle des ursprünglichen Wortes übernimmt. Solange aber das gesellschaftliche Problem besteht, wird immer auch die negative Konnotation mitschwingen. Dasselbe sehen wir bei den heutigen Schimpfwörtern Schwuchtel und Transe.

Politische Korrektheit schließt ferner auch jene Wörter mit ein, die nicht die betroffene Gruppe selbst definiert hat. So werden mittlerweile M-Wort, N-Wort und Z-Wort (von einer Ausschreibung wird an dieser Stelle abgesehen) verwendet, um klar rassistische Sprache durch Euphemismen zu ersetzen. Daher ist eine politisch korrekte Ausdrucksweise nicht per se schlecht oder erstrebenswert, sondern ein zu erwartendes linguistisches Phänomen.